Das Bild ist verlockend: sich im Stadtzentrum niederzulassen, ein Restaurant oder eine Boutique zu eröffnen, von seiner Leidenschaft zu leben, sein eigener Chef zu sein – das Versprechen eines Traums.
Doch hinter diesem Traum verbirgt sich oft eine bittere Realität. In Großstädten, insbesondere in Paris, spekulieren Vermieter – ob private Investoren oder Institutionen – regelmäßig auf diesen Traum, und man fragt sich, ob sie nicht statt des Rechts, ein Geschäft zu betreiben, eine Illusion verkaufen. Und am Ende ist es oft der Mieter – der Geschäftsinhaber –, der den höchsten Preis zahlt.
Hier ist der Grund.
Die irrationale Wahl des Träumers
Wenn man von seiner Leidenschaft leben und ein eigenes Geschäft eröffnen möchte, fehlt einem oft der rationale Verstand eines erfahrenen Unternehmers. Man entscheidet aus dem Bauch heraus, setzt auf den Standort, die richtige Adresse, die Atmosphäre, das Potenzial.
Wir akzeptieren eine hohe Miete, wir akzeptieren eine schwierige Zeit und am Ende akzeptieren wir die Erschöpfung.
Seit dem, was ich die «Welt danach» (nach 2020) nenne, mit aufeinanderfolgenden Krisen (Covid-19, Inflation, Energiekosten, Geopolitik, Misstrauen der Bevölkerung, Verlust der Souveränität usw.), hat die wirtschaftliche Realität viele derer eingeholt, die an den Traum geglaubt haben.
Der Ladenbesitzer steht oft ohne Gehalt da, kämpft mit alltäglichen Schwierigkeiten und bürokratischen Problemen und leidet häufig unter gesundheitlichen Problemen. Dieser Abwärtstrend vollzieht sich nicht abrupt, sondern schleichend, was uns zum nächsten Punkt führt.
Der Trägheitseffekt
In einem «rationalen» Immobilienmarkt werden die Preise korrigiert, wenn das Angebot nicht mehr ausreicht, die Mieten sinken, wenn Objekte leer stehen, und das Angebot wird an die Nachfrage angepasst.
Doch im Einzelhandel, und insbesondere in den Stadtzentren, beobachten wir ein Phänomen von’Trägheit kombiniert mit Informationsasymmetrie :
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Der Vermieter weiß, dass die Räumlichkeiten belegt bleiben werden (wenn auch nur schwach), deshalb verlangt er eine hohe Miete – das Risiko ist für ihn gering.
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Der angehende Geschäftsinhaber, der oft nur unzureichend mit Geomarketing-Tools ausgestattet ist, sich der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Standorts nicht bewusst ist, die Anzahl lokaler Misserfolge nicht kennt und von seinem Traum geblendet ist, stimmt zu, die Miete so zu akzeptieren, wie sie ist.
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Die Geschäftsräume sind weiterhin belegt, die Situation ist suboptimal: Der Ladenbesitzer kann zwar überleben, macht aber keinen wirklichen Gewinn und muss Miete zahlen. Der Vermieter profitiert auf Kosten des Ladenbesitzers und dessen Widerstandsfähigkeit.
- Noch schlimmer ist, dass der Mieter die Preise nicht senken kann, selbst wenn er den Markt "korrigieren" und neue Kunden gewinnen möchte, weil die Kunden einfach nicht mehr da sind oder weniger konsumieren, und eine Preissenkung wäre für den Mieter ein Todesurteil, gerade wegen der im Vergleich zur Marktrealität unangemessen hohen Fixkosten, einschließlich Miete, Energiekosten und Sozialabgaben.
Kurz gesagt: Der Vermieter profitiert von einem blockierten Markt, lückenhaften Informationen und einem Händler, der bereit ist, das Risiko des Traums einzugehen.
Der Reiz des Betrügers
Das ist der Kern meiner Argumentation: Der Vermieter verkauft nicht mehr so sehr den Zugang zu einem Kundenstamm, einem Einzugsgebiet oder einem florierenden Markt (und noch weniger eine sichere wirtschaftliche Zukunft). Was er tatsächlich verkauft, ist… ein Recht zu träumen.
Und dieser Traum hält so lange an, bis der Kaufmann erschöpft ist – Zeit, Investitionen, Gesundheit leiden – und der Vermieter einen neuen, verträumten Mieter findet.
Die Veränderungen, die wir derzeit erleben (Digitalisierung, Telearbeit, Krisen, Kaufkraftverlust, Unsicherheit in Großstädten, verändertes Konsumverhalten), sind allesamt Faktoren, die die Erfolgsaussichten im Einzelhandel schwächen.
Und dennoch sinken die Mieten immer noch nicht, und die Vermieter tragen in gewisser Weise die Hauptverantwortung für die Kaskade von Insolvenzen, da sie oft die "unvermeidlichen Fixkosten" darstellen, die der Geschäftsinhaber nicht ausgleichen kann.
Wenn der Mieter aufgibt, findet der Vermieter schließlich einen anderen Mieter.
4/ Ergebnis
Das Ergebnis ist zweifach:
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Für den Mieter und Geschäftsinhaber bedeutet dies ein Opfer an Zeit (oft deutlich mehr als in einem Angestelltenverhältnis), Geld (Investitionen, Renovierungen, Ausrüstung, Marketing usw.) und Gesundheit (Stress, Kosten, Unsicherheit). Häufig entspricht der Ertrag kaum oder gar nicht den Erwartungen.
- Für Städte: ein fragiles Wirtschaftsgefüge, hohe Fluktuation, Ladenlokale, die häufig den Besitzer wechseln oder gar leer stehen, Stadtviertel, die darum kämpfen, wieder an Dynamik zu gewinnen. Der Traum vom Einzelhandel kann sich in eine Ödnis der Aktivität verwandeln.
Anders ausgedrückt: Indem Vermieter ihren Gewinn maximieren, opfern sie zwei Leben, das Leben des Ladenbesitzers und das Leben der Nachbarschaft.
5/ Die Lösung
Was wäre, wenn wir die Logik ein wenig umkehren würden? Anstatt jede Gewerbefläche als «profitablen Standort, der so weit wie möglich ausgereizt werden soll» zu betrachten, könnten wir uns solidarischere Mietverträge vorstellen.
Um die Mietpreise auf dem Markt zu korrigieren (schwierige Lage, schwache Kundschaft, hohe Fluktuation, Unsicherheit), sind verschiedene Lösungen möglich, dies sind jedoch nur einige Ansätze, die in Betracht gezogen werden sollten:
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Der Vermieter weist darauf hin, dass sein Einkommen von verschiedenen Faktoren abhängt. der Erfolg des Mieters. Wenn der Mieter das Objekt schließt, verliert auch der Vermieter. Daher handelt ein Vermieter, der seinen Mieter unterstützt (oder zumindest nicht sabotiert), im gemeinsamen Interesse. Vermieter mit gesellschaftlicher Verantwortung, die einen guten Ruf genießen und transparent bewertet werden, wären ein weiterer Schritt hin zu einer besseren Gesellschaft.
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Wir könnten uns Instrumente für mehr Transparenz vorstellen: Bewertungen/Punktzahlen für Mietobjekte (Mängelhäufigkeit, durchschnittliche Mietdauer, durchschnittliche Mieteinnahmen usw.). So wäre der Mieter vor Vertragsabschluss besser informiert.
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Schließlich müssen wir, im Einklang mit den in Frankreich so hoch geschätzten Umverteilungsprinzipien, anerkennen, dass Kleinunternehmer trotz der zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind (Kontrollen, Steuern, Unsicherheit, niedrige Renten), keinerlei Unterstützung erhalten. Ihre Situation zu verbessern, ist gut für die Innenstadt, das soziale Gefüge und die Stadt insgesamt.
Kurz gesagt: Sorgen Sie dafür, dass der Gewerbemietvertrag keine Falle für den Träumer ist, sondern ein Werkzeug zum Erfolg.
Abschluss
Der Traum, ein Restaurant, einen Concept Store oder ein Geschäft im Stadtzentrum zu eröffnen, ist lobenswert. Doch einfach nur ein Geschäft zu eröffnen, reicht nicht aus: Man muss es auch verwirklichen. Und in vielen Fällen sind es die Vermieter, die ihr Vorgehen rechtfertigen: Sie verkaufen einen Traum, kassieren die Miete, und was dann passiert, passiert eben.
Der Händler trägt jedoch das Risiko und die menschlichen Kosten.
Wenn wir den lokalen Handel wiederbeleben wollen, müssen wir das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter überdenken, Transparenz schaffen, Risiken neu ausbalancieren und berücksichtigen, dass Gewerbeimmobilien ein Element des städtischen Gefüges sind – und nicht nur ein Vermögenswert für einen rein gewerblichen Vermieter.
Denn letztendlich sind es Menschenleben – die des Ladenbesitzers, seiner Angestellten und der Stammkundschaft –, die einem Unternehmen seinen wahren Wert verleihen. Und ein sinnvoller Mietvertrag sollte dies berücksichtigen!




